Raymond Gurême wurde 1925 in eine Manouches-Familie, wie sich die Sinti in Frankreich nennen, geboren. Seine Kindheit verbrachte er im kleinen Zirkus seines Vaters, der durch West- und Zentralfrankreich zog. Von klein auf erlernte Gurême die Kunst der Tierdressur, Jonglage und Akrobatik. Manouches-Wanderzirkusse hatten in Frankreich eine lange Tradition und waren ein integraler Bestandteil des ländlichen Kulturlebens, aber in den 1930er Jahren schränkte die französische Regierung die Bewegungsfreiheit sogenannter „Nomaden“ immer weiter ein. Im Oktober 1940 wurde die gesamte Familie von französischen Gendarmen verhaftet, da die deutschen Besatzer eine Zwangsansiedlung sämtlicher „Nomaden“ verordnet hatten. Einen Monat später wurden die Gurêmes in das Internierungslager Linas-Montlhéry eingewiesen, in welchem eine große Nahrungsknappheit und schlimme hygienische Zustände herrschten. Im Sommer 1941 entkam Gurême in die Bretagne, wo er unerkannt auf Bauernhöfen arbeitete. Sooft er konnte, kehrte er nach Linas zurück, um Lebensmittel in das Lager zu schmuggeln. Im April 1942 wurde dieses Lager aufgelöst und die Insassen nach Montreuil-Bellay verlegt, dem größten „Nomadenlager“ im besetzten Frankreich. Gurême gelang es auch dort, seine Familie mit Schmuggelware zu versorgen. Im August 1943 wurde er von der Polizei aufgegriffen und zur Zwangsarbeit ins hessische Heddernheim deportiert. Im Juni 1944 floh Gurême von dort zurück nach Frankreich und schloss sich der Résistance an, mit der er an der Befreiung von Paris mitwirkte. Nach dem Krieg suchte Gurême seine Familie, fand diese aber erst 1950. Bis heute setzt Gurême sich dafür ein, dass die Geschichte des Lagers und das Schicksal der Manouches nicht vergessen werden.
Autor: Ilsen About
Quellen: Gurême, Raymond; Ligner, Isabelle: Interdit aux nomades. Paris 2011; Leroy, Théophile: Des “nomades” derrière les barbelés. Étude du camp d’internement de Linas-Montlhéry en France occupée (novembre 1940-avril 1942). Paris 2016; Sigot, Jacques: Un camp pour les Tsiganes et les autres: Montreuil-Bellay, 1940-45.
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