James Michael wurde 1916 in Berlin geboren. Er war das zweite von vier Kindern des kamerunischen Kolonialmigranten Theophilus Wonja Michael und dessen deutscher Ehefrau Martha (geb. Wegner), die bereits 1926 nach schwerer Krankheit verstarb. Schon als Kinder mussten James und seine drei Geschwister Christiane, Juliana und Theodor zum Lebensunterhalt der notleidenden Familie beitragen, indem sie sich mit ihrem Vater als „wilde Afrikaner“ verkleideten und in „Völkerschauen“ auftraten. Im Alter von zwölf Jahren kam James Michael zur marokkanischen Springertruppe „10 Abdullah Ben Mohamed Bonamannes“, wo er zum Obermann einer Menschenpyramide ausgebildet wurde und sich als ‚Araber‘ auszugeben hatte. Zwischen 1929 und 1932 trat die Truppe bei den Zirkussen Holzmüller und Straßburger auf.
Werbeanzeige der marokkanischen Springertruppe „10 Abdullah ben Mohamed Bonamannes“ In: Das Programm, Nr. 1644, 8.10.1933 (Stadtmuseum Berlin; Reproduktion: Siegfried Reinsch)
Nach Hitlers Machtübernahme Ende Januar 1933 verließ die Truppe Deutschland und heuerte beim französischen Zirkus Amar an. Gelegentliche Werbeanzeigen in der Fachzeitschrift „Das Programm“ bis einschließlich Frühjahr 1934 bezeugen indes, dass die Leitung der Truppe den deutschen Markt noch nicht ganz abschreiben wollte, doch letztlich blieb man in Frankreich. Als James Michael jedoch 1937 im deutschen Konsulat in Paris seinen Reisepass verlängern wollte, wurde dieser eingezogen. Zur Begründung hieß es: „Sie sind kein Deutscher mehr, es gibt keine schwarzen Deutschen.“ In einem späteren Interview bezeichnete James Michael diesen Moment als den schlimmsten seines Lebens. Fortan lebte er illegal in Frankreich, hatte jedoch das Glück, dass der Zirkus Amar zu ihm hielt und ihn heimlich weiterbeschäftigte. Bei Polizeikontrollen versteckten ihn seine Kollegen. Nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges setzte sich der Akrobat mit der marokkanischen Springertruppe „Agadir“ nach Französisch-Marokko ab. Um die Einreise zu ermöglichen, wurden ihm der Ausweis und die Personalbögen eines ehemaligen Mitglieds der Truppe vermacht und mit seinem Foto versehen. Aufgrund einer Denunziation verhaftete die französisch-marokkanische Polizei James Michael Ende 1939 als mutmaßlichen Spion. Nach zweimonatiger Untersuchungshaft in Casablanca wurde der Spionageverdacht fallengelassen und der Häftling vor die Wahl gestellt, entweder in ein Internierungslager für „feindliche Ausländer“ verbracht zu werden oder der Fremdenlegion beizutreten. Er entschied sich für letzteres und erlebte das Ende des Krieges unbeschadet.
James Michael erhält die Médaille Militaire (Privatarchiv Theodor Michael, Köln)
James Michael diente insgesamt über sechzehn Jahre als Fremdenlegionär. Er erwarb sich hohe Auszeichnungen wie die Médaille Militaire und wurde schließlich zum Chevalier de la Légion d’Honneur (Ritter der Ehrenlegion) ernannt. Mitte der 1950er Jahre kehrte er als französischer Staatsbürger nach Deutschland zurück und ließ sich im Rheinland nieder. Bis zu seiner Pensionierung arbeitete er als Angestellter der französischen Handelsmission in Köln. Er starb im August 2007 im Alter von einundneunzig Jahren.
Autor: Martin Holler
Quellen:
Reed-Anderson, Paulette: Rewriting the Footnotes. Berlin und die afrikanische Diaspora – Berlin and the African Diaspora. Berlin 2000; Michael, Theodor: Deutsch sein und schwarz dazu. Erinnerungen eines Afro-Deutschen. München 2013; Lewerenz, Susann: Geteilte Welten. Exotisierte Unterhaltung und Artist*innen of Color in Deutschland 1920-1960. Köln 2017; Thalken, Michael: Trauer um einen „schwarzen Deutschen“. In: Kölner Stadt-Anzeiger, 16.8.2007; Das Programm. Organ der Internationalen Artisten-Loge. Jahrgänge 1929-1934; Telefonische Auskünfte von Theodor Michael am 1.8.2018.
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