Carola Williams (1903-1987) und die Zirkuskassiererin

Carola Williams war eine geborene Althoff und gehörte damit zu einer der größten Zirkusdynastie der Welt. Als Adolf Hitler im Januar 1933 Reichkanzler wurde und in der Folgezeit eine antijüdische Politik einsetze, begannen Carola und ihre Brüder Franz und Adolf Althoff in ihren beiden Zirkusunternehmen Juden aufzunehmen. Dies geschah sehr diskret und mit Hilfe ihrer Zirkusmitarbeiter – die schließlich alle Mitglieder einer engverflochtenen, internationalen Zirkusgemeinschaft waren. Und dazu gehörten selbstverständlich auch jüdische Protagonisten. Seit dem Mittelalter gab es eine große Tradition jüdischer Wanderunterhalter.

                                Carola Williams (geborene Althoff), Privatarchiv Dominique Jando

Außerdem war für die Althoffs (und für viele andere in der Zirkuswelt, in der viele Familien miteinander verwandt sind) das Schicksal jüdischer Mitbürger auch eine persönliche Angelegenheit: Lenie Mark, die Tante von Carola, war mit einem Blumenfeld verheiratet [http://www.divergingfates.eu/index.php/2018/04/26/ die-gebrueder-blumenfeld-jun-untergang-einer-juedischen-pferdezirkusdynastie/]. Nach dem Krieg wurden Adolf Althoff und ihre Frau Maria in Yad Vashem in den Kreis der  „Gerechten unter den Völkern“ aufgenommen. Ihre Auszeichnung ist mit der Rettung der Zirkuskünstlerin Irene Bento (geb. Danner) und ihrer jüdischen Familie verbunden [http://www.divergingfates.eu/index.php/2018/02/19/irene-bento-1923-2006- überlebt-im-versteck-beim-zirkus-adolf-althoff/].

Im Zuge weiterer Recherchen für ein Theaterstück interviewten wir 2007 am Telefon eine deutsche Jüdin, die dank Carola Williams den Holocaust überlebt. Im nationalsozialistischen Deutschland war die Frau als Jüdin geächtet, von der Erwerbstätigkeit ausgeschlossen und in einer verzweifelten Situation. Eines Tages gastierte der Zirkus Franz Althoff (das Unternehmen von Carola und Franz Althoff)  in ihrer Stadt. Während des Aufenthaltes veröffentlichte die Unternehmungsleitung ein Stellengesuch für eine Kassiererin. Die Dame ging daraufhin zu Carola und bewarb sich um die Stelle. Carola – die eine bemerkenswerte Geschäftsfrau war – sagte ihr, dass sie mit dem Zirkus reisen müsse, womit die Bewerberin eiverstanden war. Carola fragte diese dann, ob sie schon einmal einer ähnlichen Tätigkeit nachgegangen sei oder ob sie über irgendwelche Buchhaltungskenntnisse verfüge. Die Dame beantwortete beide Fragen negativ. Carola musste ihr mitteilen, dass sie leider die Position nicht erhalten könne, da der Zirkus einen erfahrenen Kassierer suchen würde. Die Dame akzeptierte die Antwort und ging ohne Einspruch zu erheben. Carola bemerkte, dass die Frau niedergeschlagen aussah und rief sie noch einmal zurück. Unser Telefonkorrespondent im Theaterprojekt erinnerte sich gut an den von der damaligen Bewerberin geschilderten Dialog zwischen Carola und der damaligen Bewerberin:

– Carola: Bitte verzeihen Sie meine Frage, und Sie müssen nicht antworten, wenn Sie nicht wollen, aber Sie haben nichts zu befürchten. Sind Se jüdisch?

– Lady: … Ja, bin ich.

– Carola: Nun, Sie sind angestellt

Die Frau verbrachte die Kriegsjahre mit den Althoffs. Mit anderen im Nationalsozialismus „Unerwünschten“ versteckte sie sich bei Kontrollen durch Gestapo und anderer nationalsozialistischen Behörden hinter einer Doppelwand im Vorratswagen. Sie und andere von den Althoffs beschäftigte Juden überlebten so den Holocaust. Carola und Franz unterstützten auch die in Lagern arretierten Blumenfeld-Brüder mit Essen, Kleidung, Zigaretten und Medikamenten.

Carola Althoff heiratete 1941 den in Deutschland geborenen britischen Reiter Harry Williams. Nach dem Krieg gründeten sie den Circus Williams, der zu einem der führenden Zirkusse Deutschlands wurde.

Autor: Dominique Jando

Quellen: Niederschrift eines Interviews mit einer jüdisch-deutschen Zeitzeugin, 2007; http://www.circopedia.org/Carola_Williams (last call: 15.7.2018); Lehmann-Brune, Marlies: Die Althoffs. Geschichte und Geschichten um die gröβte Circusdynastie der Welt. Historische Beratung und genealogische Fakten Prof. Dr. phil Bobby Barell, Dozent für Circulogie. Frankfurt 1991.

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